Kochen für den Bau eines Gemeindezentrums in Ramla
Circa 20% der Bevölkerung von Ramla / Israel (bei Jaffa) sind Palästinenser mit israelischem Pass. Davon sind ca. 8% evangelische, katholische und orthodoxe Christen und 12% Muslime.
Im Jahre 1985 besuchte ich meine Heimatgemeinde in Ramla, um dort Ostern zu feiern. Dieses Fest wird bei den orthodoxen Gemeinden, nach der langen siebenwöchigen Fastenzeit ohne den Verzehr von tierischen Produkten, ganz groß gefeiert und dabei werden Lämmer gegrillt. Die arabische Sprache hat für Ostern zutreffende Namen wie: Fest der Auferstehung (Ìd-al-Qiamah), das größte Fest, (´Id al-kabier) oder das Fest aller Feste.
Die Feierlichkeiten fanden aber in der Aula eines israelischen Gymnasiums statt. Die Aula war zwar voller Menschen, es fehlte jedoch die feierliche religiöse Atmosphäre, um das „größte Fest aller Feste“ zu feiern. Auf meine Frage: „Warum feiert Ihr das Fest der Auferstehung hier und nicht in den Gemeinderäumen?“ zeigte mir mein Bruder anschließend eine verlassene Bauruine und erzählte mir folgendes: 1975 begann die christlich orthodoxe Gemeinde in Ramla mit dem Bau eines Gemeindezentrums. Dies war für die kulturelle und religiöse Identität der Christen als Minderheit in Israel lebensnotwendig. Durch die nachträgliche staatliche Auflage, das Gebäude mit einem bombensicheren Keller zu untermauern, konnte der Bau aus Kostengründen nicht weiter gebaut werden. So stand das Gebäude halbfertig fast 10 Jahre lang als Bauruine da. Als ich das sah und hörte, wurde ich nachdenklich. Daraufhin bat mich mein Bruder, obwohl er wusste, dass ich für die Waisenmädchen im Libanon engagiert war, den Christen in unserer Geburtsstadt zu helfen, damit sie das Fest der Auferstehung würdig und voller Freude in den eigenen Räumen feiern können.
Nach meiner Rückkehr nach Köln ließ mich diese Aufforderung nicht in Ruhe. Da ich seinerzeit als orthodoxer Christ in der Ökumene regen und engen Kontakt zu evangelischen und katholischen Pfarrern hatte, glaubte ich hier eine finanzielle Hilfe zum weitern Bau des Gemeinde-zentrums für die wenigen „Urchristen“ im Heiligen Land zu bekommen. Es wurde damals für einen Projekt zugunsten der Indianer in Südamerika gesammelt, so dass für mein Anliegen kein Geld vorhanden war. Daraufhin stellte ich mir die Frage, was ich persönlich dafür tun kann –
Kochen, kam prompt die Antwort, das kann ich.
Es war mir bekannt, dass jede kirchliche Gemeinde mindestens einmal im Jahr ein Gemeindefest mit Erbsensuppe und Würstchen feiert. Da hatte ich plötzlich den Einfall, bei solchen Gemeindefesten das sogenannte „biblische Linsengericht“ auch, „Esau Mahl” (keine Suppe!) genannt, das man im ganzen Orient seit Jahrhunderten kocht, anzubieten. Und so wurde die Idee geboren.
Ein evangelischer Pfarrer in Köln – Klettenberg, der mehrmals im Heiligen Land war, erlaubte mir nach einem Familiengottesdienst für 50 Personen seiner Gemeinde zu kochen. Die Gemeindemitglieder waren begeistert. Die Idee schlug Wellen und stieß überall auf freudige Annahme. Ich wurde regelrecht durch die Gemeinden herumgereicht.
Drei Monate später fragte mich ein Pfarrer, der ein großes Jugendfest plante, ob ich bereit sei, für 1000 Jugendliche zu kochen. Aber das Essen müsse pünktlich gebracht werden. Denn er wusste, dass ich aus dem Orient kam und im Orient hat man bekanntlich viel mehr Zeit als hier in Deutschland. Ich überlegte kurz und sagte: „Wenn du mir fünf Helfer, große Kochtöpfe und eine große Küche zur Verfügung stellst, dann könnte ich Ja sagen, außerdem brauche ich ein Auto, damit ich das Essen pünktlich bringen kann“. Ich habe nicht geglaubt, dass er Ja sagen würde. Ich verbrachte die nächsten Tage in Unruhe.
Zum Glück rief er mich einige Tage danach an und sagte zu mir, dass ich nur für fünfhundert Personen zu kochen brauchte. Ich war über diese Nachricht froh und erleichtert, denn ich wusste in der Tat nicht, welche Menge nötig ist, für so viele Menschen zu kochen. Eines aber wusste ich, dass dieses Gericht sehr viele Zwiebeln benötigt. So kaufte ich 80 kg Zwiebeln und habe mit fünf Damen die Zwiebeln geschält, geschnitten und gemeinsam geweint. Dazu hatte ich aus 120 Liter Frischmilch (beim Bauer gekauft) Joghurt/Quark (nach Großmutters Rezept) hergestellt, um Zaziki zu machen. Kurz, ich präsentierte das Essen wie gewünscht auch pünktlich und alle waren begeistert und sie erzählten es in ihren Gemeinden weiter, so dass ich dann von vielen Gemeinden, auch außerhalb von Köln, zum Kochen eingeladen wurde.
Eine Weile danach rief mich eine nette Pfarrerin an, ob ich bereit wäre, zu ihrem 50. Geburtstag zu kochen. Sie möchte gerne mit 175 Gästen feiern und ob ich auch etwas anderes anbieten könnte außer dem biblischen Linsengericht, das sie mehrmals gegessen hatte und gut fand. Darauf hin erstellt ich eine komplette Menükarte, bestehend aus einer „kommunikativen“ Vorspeise, 3 verschiedene Gerichte, dazu Tomaten / Gurkensalat, Zaziki aus selbst gemachtem Quark, selbstge-backenem Kuchen, arabischem Mokka (Kaffeemehl mit Kardamom aus Jerusalem).
Die Gäste waren so begeistert, dass sie mich dann für alle möglichen festlichen Anlässe zum Kochen einluden, wie zum Beispiel: Geburtstagen, Ordinationsfeiern, Hochzeiten, Gemeindefeste und auch bei Kirchentagen in ganz Deutschland, von 50 bis 1000 Portionen. So konnte ich innerhalb von ca. drei Jahren ca. 20.000 Mark zusammensparen.
Im Jahre 1988 organisierte ich eine Jugendgruppe, die mit mir nach Ramla flog, um am Gemeindezentrum zu arbeiten. Es waren sieben junge Frauen und drei junge Männer aus NRW, im Alter zwischen 20 und 26 Jahren. Die deutschen Mädchen wurden bei arabischen Familien untergebracht, die eigene Töchter im gleichen Alter hatten. Es wurde vereinbart, dass auch die behüteten arabischen Töchter mit bei den Bauarbeiten helfen sollten. So entstand eine schöne gemischte Arbeitsgruppe. Es ging mir hier außerdem darum, dass die deutschen Jugendlichen 3 Wochen lang mit den arabisch christlichen Familien ihren Lebensweg teilten, damit sie das soziale, politische und religiöse Leben der Familie kennen lernen. Mit dem Geld haben wir Steine, Zement, Sand etc. gekauft und dann gemeinsam mit zwei Maurern aus Gaza am Bau gearbeitet. Wir konnten immerhin nach drei Wochen die Grundmauern um zwei Meter hochziehen.
An den Wochenenden haben wir gemeinsam verschiede Touren unternommen. Das ersten Wochenende haben wir in Bethlehem / Jerusalem verbracht. In Jerusalem haben wir mit den arabisch evangelisch Lutherische Gemeinde (Erlöserkirche) eine Taize Andacht gefeiert. Wir wurden sogar von dem Patriarchen der orthodoxen Kirche in Jerusalem zu eine Audienz empfangen. Das zweite Wochenende verbrachten wir am See Genezareth und das dritte Wochenende haben wir uns am Strand von Tel-Aviv erholt.
Es war für uns alle eine außergewöhnliche, interessante und erfahrungsreiche Begegnung.
Ein Jahr später flog ich alleine nach Ramla und siehe da, die Wände waren auf ca. 5 Meter angewachsen. Ich war sehr erstaunt und fragte, ob sie noch mehr Maurer bestellt und am Bau weiter gearbeitet hatten. Sie sagten NEIN „du hast uns beigebracht, dass wir auch selber etwas tun können. So haben wir beschlossen, in unserer Freizeit am Freitagnach-mittag und Samstag am Bau weiter zu arbeiten“. Ich war sehr gerührt und Gott dankbar, als ich das hörte.
So wurde schließlich mit den Jahren das Gemeindezentrum im Jahre 1991 feierlich eröffnet.